Kategorien
Bürgerbeteiligung Pressemitteilungen Stadtentwicklung Technologiepark/TREA II

Lebenswertes Gießen e. V. – Pressemitteilung 16.12.2015

Lebenswertes Gießen: Kein weiterer Ausbau des Müllstandorts im Gießener Süden – Lackmustest zur Bürgerbeteiligung gescheitert

Durch die gestern öffentlich bekannt gewordenen Überlegungen der Stadt für das Gail-Gelände liegt jetzt eine mehr als plausible Erklärung für die verweigerte Bürgerbeteiligung zum Bebauungsplan Leihgesterner Weg endlich für alle sichtbar auf dem Tisch – der Magistrat prüft offenbar, den Gießener Süden zu einem riesigen Müllstandort auszubauen. So bewertet der Verein Lebenswertes Gießen die jüngsten Darstellungen in einer Pressemitteilung.

„Wenn die Berichte stimmen, wurde hier von langer Hand vorbereitet, was sicher erst nach der Kommunalwahl hätte öffentlich werden sollen“, so Thomas Hilbrich, 2. Vorsitzender des Vereins.“ Wenn diese Überlegungen umgesetzt werden, werden das Gießener Südviertel und die gesamte Innenstadt nachhaltig entwertet – zu Lasten der Stadt und ihrer Bewohner und zum Nutzen der Stadtwerke und einiger bekannter Gießener Großinvestoren.“ Dies hatte Lebenswertes Gießen – auch wegen der enorm langen Pause bei der Entwicklung des Bebauungsplanes Technologiepark – schon lange befürchtet und deshalb immer eine zusammenhängende Betrachtung der Planungen zum Energiestandort und zum Gail-Gelände gefordert. Auf entsprechende Nachfragen des Vereins im Bauausschuss antwortete die Baudezernentin dazu lapidar: „Es gibt hier kein Zwiegespräch“.

Stattdessen wurden und werden hinter den Kulissen offensichtlich Überlegungen zur Erweiterung des Müllstandorts vorangetrieben, als dessen ersten Baustein die Stadtverordneten in ihrer heutigen Sitzung die planerische Sicherheit für mehrere Müllverbrennungsanlagen der Stadtwerke in räumlicher Nachbarschaft am Leihgesterner Weg durchwinken sollen. Wohl wissend, dass diese Vorgehensweise den im Dezember 2007 in intensiver Diskussion des Parlaments erarbeiteten Vereinbarungen zum Vorentwurf des B-Plans widerspricht, die besagen, dass „der Magistrat dafür sorgen solle, dass sich westlich der Bahn nicht schwerpunktmäßig Betriebe der Recycling- und Abfallwirtschaft ansiedeln“.

Damit wird auch deutlich, warum die Oberbürgermeisterin und die Bürgermeisterin neuerdings in einer offensichtlich gemeinsamen Strategie versuchen, die Arbeit des Vereins Lebenswertes Gießen e. V. zu diskreditieren und damit eine kritische Stimme zum Schweigen zu bringen.

Während die Bürgermeisterin ihren Teil mit öffentlich verbreiteten Falschbehauptungen („schlagen Wohngebiet im Oberauweg vor“) und persönlichen Anwürfen („Testosteron“) beiträgt und ihre Partei quasi fordert, Akademiker (gemeint ist Lebenswertes Gießen) von der Bürgerbeteiligung auszuschließen, da sie ihre Meinung zu dominant kund täten, flankiert die OB diese Vorgehensweise durch fast schon ehrenrührige Anwürfe in Richtung Vereinsvorstand, dass dieser sich damit schwer tue, wenn die eigenen Vorstellungen nicht eins zu eins widergespiegelt würden, er noch die Spielregeln der Bürgerbeteiligung lernen müsse und eine eigene Definition der Bürgerbeteiligung anwende.

Und natürlich kein Wort von der OB darüber, dass sie (vor ihrer Wiederwahl) der Gießener Öffentlichkeit und dem Verein mehrfach einen ergebnisoffenen Beteiligungsprozess im Zusammenhang mit dem B-Plan Technologiepark versprochen hatte. Und natürlich auch kein Wort dazu, dass die Bürgermeisterin offensichtlich versucht, den Geltungsbereich der Bürgerbeteiligungssatzung in ihrem Sinne umzudeuten („nur auf der grünen Wiese“) und damit der OB und ihrem zentralen Wahl- und Wiederwahlthema in den Rücken fällt.

Der Magistrat weigert sich offensichtlich anzuerkennen, dass es letztlich den Aktivitäten von Lebenswertes Gießen e. V. zu verdanken ist, dass der Stadt im vergangenen Jahr die größtmögliche Peinlichkeit, nämlich der Verzicht des Fraunhofer Instituts auf den Standort Gießen, erspart geblieben ist. Aber statt daraus zu lernen, dass Bürgerbeteiligung auch in solchen komplexeren Planungen sehr wohl auch möglich und zielführend ist, unterstellen die Damen vom Magistrat dem Verein ein falsches Verständnis von Ergebnisoffenheit.

„Leider haben wir uns auf das Wort der OB verlassen und tatsächlich auf einen solchen ergebnisoffenen Beteiligungsprozess zum sogenannten Hauptenergieerzeugungsstandort am Leihgesterner Weg gewartet“, so der 1. Vorsitzende Lutz Hiestermann selbstkritisch. „Das ist z. B. der Grund dafür, dass Lebenswertes Gießen keine Einwendung zur TREA II eingereicht und damit nicht nur das Regierungspräsidium verwundert hatte. Aber offensichtlich will sich der Magistrat einer kritischen Auseinandersetzung mit den Bürgerinnen und Bürgern über Maßnahmen und Vorhaben, die Gießen auf Jahrzehnte prägen werden, nicht stellen. Da verlässt man sich lieber auf ein Parlament, das alle Pläne der Baudezernentin mehr oder weniger unkommentiert und vor allem unkritisiert durchwinkt.“

Auch wenn die Stadt sich einer öffentlichen Diskussion zu dem Themenkomplex verweigert, wird Lebenswertes Gießen genau dies in den kommenden Wochen und Monaten vorantreiben. In einem ersten Schritt wird er in den nächsten Wochen auf der Vereins-Homepage eine genaue Dokumentation des Prozesses der vergangenen Jahre im Zusammenhang mit dem B-Plan Technologiepark sowie dem Gail’schen Gelände vorlegen und darin auch die Vorgehensweise der Stadt Gießen und der Stadtwerke aufzeigen. Im neuen Jahr wird der Verein darüber hinaus eine weitere Informationsveranstaltung durchführen, um die weitere Entwertung des Gießener Südviertels zu stoppen.

„Wir haben immer erklärt, dass das Vorgehen der Stadt im Zusammenhang mit dem Technologiepark Leihgesterner Weg der Lackmustest zum Thema Bürgerbeteiligung sein werde. Bei diesem Test hat die Stadt willentlich vollständig versagt. Daher bleibt dem Verein nichts anderes übrig, als dieses Versagen zum öffentlichen Thema zu machen“, so Lutz Hiestermann.