Gießen (mö). Der Südviertel-Verein »Lebenswertes Gießen« hat Zeit gewonnen, um seine Idee eines »Bürgerparks« im nördlichen Bereich des Poppe-Geländes zu konkretisieren.
Grundstückseigentümer und Investor Daniel Beitlich sagte am Donnerstagabend bei einer Anwohnerversammlung zu, dass es vor dem Sommer keine Entscheidung über den Bau eines alleinstehenden Wohnhauses am Nordrand des denkmalgeschützten Poppe-Parks geben wird. »Es wird jetzt auch kein Bauantrag bei der Stadt gestellt«, sagte Beitlich.
Etwa 120 Bürger aus den Straßenzügen rund um das Poppe-Areal waren auf Einladung des Vereins in den Saal der Petrusgemeinde gekommen. Die rund zweistündige Veranstaltung hatte informativen Charakter, verlief wohltuend sachlich und fachlich auf hohem Niveau. Dazu trugen sowohl die Vorstandsmitglieder von Lebenswertes Gießen als auch Investor Beitlich und dessen Architekt Felix Feldmann bei. Kritik aus der Versammlung wurde an der Stadt laut, die keinen offiziellen Vertreter geschickt hatte. Die zuständige Planungsdezernentin Gerda Weigel-Greilich hatte sich bereits zu Wochenbeginn wegen eines Paralleltermins entschuldigt.
Im Mittelpunkt der Versammlung stand das Vorhaben Beitlichs, am Nordrand des Parks ein etwa elf Meter hohes Gebäude mit nunmehr vier Wohnungen zu errichten. Da der Entwurf des Bebauungsplans »Leihgesterner Weg/Elsa-Brandström-Straße« dieses Baufenster ausweist und Mitte Februar vom Stadtparlament beschlossen werden soll, fühlt sich der Anwohnerverein unter Zeitdruck gesetzt. Denn mit der Schaffung des »vorläufigen Baurechts« habe der Eigentümer die Möglichkeit, ab März Fakten zu schaffen, sagte Vorstandsmitglied Thomas Hilbrich.
Nach der Erklärung Beitlichs ist dieser Zeitdruck weg. Der Geschäftsführer der Revikon GmbH, die das gesamte Poppe-Gelände derzeit umnutzt, erläuterte, dass er auf der Grundlage des Baugesetzbuch-Paragrafen 34 hätte schon längst einen Bauantrag stellen können. Darauf habe er aber bewusst verzichtet, um mit den Nachbarn im Dialog (»Das habe ich Ihnen versprochen«) zu bleiben. Auf Nachfrage eines Bürgers machte Beitlich aber auch deutlich, dass er den Erlös für das Baugrundstück benötige, um die Gesamtinvestition für das Poppe-Gelände rezufinanzieren. »Wir investieren hier im zweistelligen Millionenbereich«, sagte Beitlich. Hinsichtlich eines Verkaufs der Grünflächen inklusive des Baugrundstücks an eine Bürgerstiftung zeigte sich der Investor zwar gesprächsbereit, äußerte sich zur Idee eines Bürgerparks aber skeptisch und sieht großen Klärungsbedarf. Daher sei er auch nicht in der Lage, einen Preis zu nennen.
Zuvor hatten für den Verein Vorsitzender Lutz Hiestermann (Einführung), Thomas Hilbrich (Bauleitplanung), Susanne Treutwein-Keller (Naturschutz) und Dr. Rainer Liedtke (Bürgerstiftung) in Referaten den Sachstand erläutert und das weitere Vorgehen skizziert. Hiestermann bat um Verständnis, dass die Bürgerpark-Idee angesichts der Kürze der Zeit noch nicht ausgereift sei. Einig sind sich Verein und Bürger in der Ablehnung des Gebäudes am Parkrand. »Das Haus ist ein massiver Störfaktor und greift in einen 160 Jahre alten Park ein«, sagte Treutwein-Keller und erinnerte die Stadt sowie die rot-grüne Regierungskoalition an Festlegungen und Zusagen, wonach innerstädtisches Grün erhalten werden soll.
Historiker Liedtke verwies darauf, dass Bürgerstiftungen in Gießen eine lange und gute Tradition haben und durch sie Bauwerke wie das Stadttheater, die Volkshalle (Miller Hall) und das leider verschwundene Volksbad entstanden. Für Bürgerparks gebe es in Deutschland etliche aktuelle Beispiele. Das Interesse Beitlichs, einen Grundstückserlös zu erzielen, bezeichnete Liedtke als »völlig legitim« und fügte unter Beifall der Anwesenden hinzu: »Dieser Investor hat viele gute Ideen, der Bau dieses Hauses ist es nicht.« Gegen eine Bebauung auf der Wiese am Nordrand hat der Verein mittlerweile eine Unterschriftenaktion gestartet. Kernforderung ist eine entsprechende Festsetzung im Bebauungsplan.
In die Diskussion schalteten sich auch die Stadtverordnete Dorothe Küster (CDU) sowie Michael Janitzki und Elke Koch-Michel (beide Fraktion Linkes Bündnis/Bürgerkiste) ein. Koch-Michel sprach sich dafür aus, dem Verein eine Möglichkeit einzuräumen, bei der anstehenden Offenlage des Bebauungsplans eine Eingabe an die Stadt zu machen, denn eigentlich dürften das nur behördliche Träger der öffentlichen Belange. Küster begrüßte das Engagement der Anwohner, bezeichnete die Idee Bürgerpark aber »als noch nicht zu Ende gedacht«.